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In der Schweiz gibt es nur noch etwa 1000 Auerhühner. Die Tiere haben hohe Ansprüche an ihren Lebensraum und reagieren empfindlich auf Störung durch den Menschen. Vom Schutz des Auerhuhns profitieren auch andere Tier- und Pflanzenarten, die in lichten Bergwäldern leben.
Die Schneeschuhe sind angeschnallt, der Feldstecher umgehängt, das Feldbuch eingepackt – gleich geht es los. Kurt Bollmann, Biologe an der WSL, steigt einen steilen Bergwald hoch in Amden (SG). Hier bleibt der Schnee bis im Mai liegen. Es knirscht unter den Schneeschuhen, die Luft ist kalt, der Aufstieg durch den Wald anstrengend. Plötzlich bleibt er stehen, es raschelt in den Bäumen, dann poltert etwas: "Das war ein Auerhuhn, ich erkenne seinen Flügelschlag!".
Zu sehen kriegt der Forscher den Vogel nicht. Denn obwohl das Männchen des Auerhuhns etwa so gross ist wie eine Gans, hält es sich gut versteckt. Das Weibchen ist kleiner und mit seinen gemusterten Federn im Wald nur schwer zu entdecken. Die Vögel sind sehr scheu und selten. Das Auerhuhn steht auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten. Es besteht ein hohes Risiko, dass die Art in der Schweiz aussterben könnte.
Doch Kurt Bollmann weiss trotzdem, dass die Tiere da sind. Unter einem Baum findet er kleine bananenförmige Würstchen im Schnee: «Hier auf diesem Baum hat ein Auerhuhn geschlafen. Wir sammeln den Kot und können im Labor bestimmen, ob es sich um ein Männchen oder ein Weibchen handelt und woher das Tier stammt». Manchmal verraten auch Spuren im Schnee oder im Sommer Federn an den Sträuchern, dass ein Auerhuhn hier war.
Huhn mit Anspruch
In einem grossen Forschungsprojekt haben Kurt Bollmann und Forschende der Vogelwarte Sempach und der Universität Lausanne untersucht, was das Auerhuhn zum Leben braucht und was man tun kann, damit es wieder mehr Auerhühner in der Schweiz gibt. Die Vögel leben in Bergwäldern auf über 1000 Metern Höhe, ihr Lebensraum muss viel Abwechslung bieten. Im Wald soll es neben Fichten auch Föhren und Weisstannen geben, die Bäume sollen nicht zu dicht stehen, damit viel Sonne bis zum Boden gelangt und der grosse Vogel wegfliegen kann, und junge Bäume sollen neben alten wachsen. Eine dichte Strauchschicht mit Heidelbeeren mögen die Vögel sehr. Die Beeren ergänzen den Speisezettel, der im Sommer aus Knospen, Blättern, Samen, Früchten, aber auch aus Insektenlarven besteht. Im Winter ernähren sie sich von den Blättern der Nadelbäume.
Lichte Wälder sind bei uns selten geworden. Dies ist ein Grund, wieso nur noch wenige Auerhühner in der Schweiz leben. Ein anderer Grund sind Störungen: Das Auerhuhn reagiert mit Stress, wenn es durch den Menschen gestört wird. Skifahrer, die abseits der Piste durch den Wald fahren, oder Pilz- und Beerensammler und Mountainbiker scheuchen die Tiere auf. Auf der Flucht verlieren sie viel Energie, was sie schwächt, oder sie werden leichter zur Beute von Raubtieren.
Rettungsschirm für Arten, die es hell mögen
Für den Aktionsplan Auerhuhn wurden viele Forschungsergebnisse verwendet. In diesem Plan steht, wie die Bergwälder gepflegt werden sollen und wie man die Tiere vor Störungen schützt. Nun überwachen Forscher und Naturschützer, ob diese Massnahmen richtig umgesetzt werden und ob sich dadurch die Zahl der Vögel erhöht. Dazu ist Kurt Bollmann heute unterwegs in Amden und sucht nach Spuren des grossen Vogels.
Doch wieso schützt man gerade diese Tierart in den Bergwäldern? «Das Auerhuhn ist, was Wissenschafter eine Schirmart nennen: Wenn es sich wohlfühlt, dann geht es auch anderen Vogel- und Pflanzenarten gut, die lichte Bergwälder brauchen», erklärt Kurt Bollmann. So oder so wäre es schade, wenn dieser prächtige Vogel aus unseren Bergwäldern verschwinden würde, auch wenn man ihn – so wie Kurt Bollmann heute – nur selten zu sehen bekommt. Er ist Teil unserer Biodiversität, der Vielfalt an Tieren, Pflanzen und Lebensräumen.
An der WSL …
… untersuchen Forschende derzeit, wo das Auerhuhn in den Schweizer Alpen vorkommen könnte und wie sich der Klimawandel auf den Lebensraum des Auerhuhns auswirkt. Sie prüfen auch, ob sich Schutzmassnahmen positiv auf den Populationsbestand auswirken.