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Grönland ist ein idealer Ort, um den Klimawandel zu studieren; die Landschaft ist viel homogener als etwa bei uns in der Schweiz. Denn in Grönland gibt es viele Faktoren, die hier bei uns das Klima beeinflussen, nicht: Zum Beispiel Berg- und Talwinde, Sonnen- und Schattenhänge und vor allem die Vegetation, die auf dem Eisschild ganz fehlt.
Der Klimawandel macht auch vor der grössten Insel der Welt nicht Halt. Aber wie genau hat sich in Grönland das Klima verändert und welche Möglichkeiten gibt es, die Veränderung zu verfolgen? In der Schweiz werden Wetterdaten seit 150 Jahren akribisch gemessen und aufgeschrieben; damit können wir heute die Daten untereinander vergleichen und erkennen, wie sich in unserem Land das Klima verändert hat.
In Grönland werden Temperaturen seit dem 18. Jahrhundert aufgezeichnet, und zwar in Nuuk, der Hauptstadt an der südwestlichen Küste. Flächendeckende Messungen über den gesamten grönländischen Eisschild fehlen allerdings.
Dem Klimawandel auf der Spur
Aber es gibt wissenshungrige Forschende, die sich von den arktisch widrigen Bedingungen nicht abschrecken lassen: Seit dem Jahr 1990 hat der Gletscherforscher und Direktor der WSL Koni Steffen rund zwanzig quer über die Insel verteilte automatische Messstationen aufgebaut. Dank der heutigen Informationstechnik werden die gemessenen Wetterdaten (wie Temperatur und Feuchtigkeit) fast in Echtzeit ins Schweizer Büro des Forschers gesendet.
Forschen bei -20 Grad
Das Herzstück des Messstationen-Netzwerks bildet das Swiss Camp: Ein Forscherlager im ewigen Eis. Einmal jährlich fliegen Schnee- und Polarwissenschaftler vom 500-Seelendorf Kangerlussuaq zum Camp, denn dorthin führt keine Fahrstrasse.
Die Folgen der Klimaerwärmung erfahren sie jeweils bei ihrer Ankunft am eigenen Leib: Die Pfosten, auf denen das Camp steht, müssen mit Muskelkraft alle paar Jahre neu eingebohrt werden – weil sie buchstäblich den Boden (oder eben das Eis) unter den Füssen verlieren.
Die Forscher schlafen in kleinen gelben Zelten, gegessen wird in den roten "Biwak-Pavillons"; als Highlight wird manchmal ein Fondue zum z’Nacht serviert. Ein Zuckerschlecken sind die Forschungsarbeiten beim Swiss Camp jedoch nicht: Temperaturen im zweistelligen Minusbereich und eisiger Wind gehören zum langen Alltag. Lang deswegen, weil die Sonne in Grönland im Sommer kaum untergeht; deshalb arbeiten die Forschenden teilweise bis weit nach Mitternacht.
Tagein, tagaus brausen sie auf Schneemobilen umher und klettern auf Masten, um die Wetterstationen auf Vordermann zu bringen. Dies kann ein schwieriges Unterfangen sein, denn Teile der Stationen können im Schnee verloren gehen und erst Jahre später wieder auftauchen.
Hungrige Eisbären
Das Beunruhigende an der Temperaturentwicklung in Grönland: Seit dem flächendeckenden Messbeginn vor 25 Jahren ist es bereits 4 Grad wärmer geworden – mehr als doppelt so viel wie in der Schweiz; deshalb schmilzt das Eis in Grönland noch schneller.
Die Folgen davon bekommen zuerst die dort lebenden Inuit und die Eisbären zu spüren: Denn die Eisschicht auf dem Polarmeer ist deren Jagdgebiet. Vor allem die Eisbären leiden, wenn sie sich im Sommer wenig erbeuten und somit nicht genug Winterspeck anfressen können. Forschende rechnen deshalb damit, dass sich die Anzahl der Eisbären in Grönland bis im Jahr 2050 mehr als halbieren wird.
Die Eisschmelze betrifft auch Menschen, die eigentlich in warmen Gegenden, weit weg von Grönland leben. Denn das Schmelzwasser hebt den Meeresspiegel an – bis zu 6 Meter, wenn der gesamte grönländische Eisschild abschmelzen würde. Küsten- und Inselstaaten wie beispielsweise Bangladesch, die Seychellen, Bahamas und die Malediven drohen aber schon bei geringerem Meeresspiegelanstieg überschwemmt zu werden; Millionen Menschen müssten dann flüchten und ein neues Zuhause finden.