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Längere trockene Zeiten im Frühling und Sommer werden wir in der Schweiz immer häufiger erleben. Davon sind nicht nur Bauern, Schiffskapitäninnen, Fischer und Hobbygärtnerinnen, sondern wir alle betroffen. Sollten wir Trockenheit deshalb als Naturgefahr klassifizieren?
25.11.2020 | Rahel Künzler
Das Wichtigste in Kürze:
- Trockenheit entsteht, wenn über längere Zeit zu wenig Wasser - als Regen oder auch Schmelzwasser - in ein Gebiet fliesst.
- Trockenheit hat schlimme Folgen für Tiere und Pflanzen, Bäuerinnnen, Stromproduzenten und Schiffskapitäninnen.
- In Zukunft werden wir längere trockene Zeiten im Sommer häufiger erleben. Wir müssen uns deshalb vor der Naturgefahr Trockenheit schützen.
Die Sonne scheint, der Himmel ist wolkenlos blau. Perfektes Wetter, um im Wald eine Wurst zu «bräteln», oder? Im April 2020 gabs in der Schweiz fast nur solche Schönwettertage - keine Spur vom wechselhaften Aprilwetter. Die Waldböden waren so trocken, dass 21 Kantone ein Feuerverbot aussprachen: Schluss mit Grillieren am Waldrand.
Wie entsteht Trockenheit?
Massimiliano Zappa ist Hydrologe (von griechisch hydor = Wasser); er beschäftigt sich mit der Wissenschaft des Wassers. An der WSL untersucht Massimiliano, wie sich das gesamte Wasser übers Jahr in der Schweiz verteilt. Dadurch kann er besser verstehen, wann und wo Wasser knapp wird. Denn für extreme Trockenheit - wie wir sie zuletzt im Frühling 2020 erlebt haben - braucht es mehr als ein, zwei Wochen keinen Regen.
Wieviel Wasser durch die grossen Flüsse im Schweizer Mittelland (Rhein, Aare, Reuss und Limmat) fliesst, hängt mit der Schneemenge im Winter zusammen. Schnee und Eis in den Bergen sind ein natürlicher Wasserspeicher. Im Frühling und Sommer fliessen diese grossen Wassermengen ins Flachland. Im Alpenland Schweiz sind übers ganze Jahr gerechnet 40% des Wassers in Seen und Flüssen geschmolzener Schnee.
Von Jahr zu Jahr ändern sich die Temperaturen und die Verteilung des Regens. Beides zusammen erklärt die Trockenheit im Frühling 2020: Im warmen Winter fiel mehr Wasser als Regen statt Schnee zu Boden und floss direkt wieder ab. Deshalb fehlte im Frühling Wasser von der Schneeschmelze, und zudem fiel während mehreren Wochen kein Regen.
Was sind die Folgen?
Die Trockenheit im Frühling 2020, und auch im Sommer und Herbst 2018, hatte schwere Folgen für Tiere, Pflanzen und Menschen. Verschiedenste Zeitungsartikel berichteten darüber. Hier einige Beispiele:
Fische: Weil sich im April 2020 das Bachbett der Töss im Zürcher Oberland in einen Kiesweg verwandelte, drohten die Fische zu ersticken. Sie wurden abgefischt und im unteren Teil des Baches wieder ausgesetzt. Das passiert in der Töss zwar öfter – aber selten so früh im Jahr.
Landwirtschaft: Auch den Bauern fehlte das Wasser. Im ausgetrockneten Boden wuchsen frisch ausgesäte Mais- und Rübenpflanzen nicht an. Sie haben keine tiefreichenden Wurzeln und wären besonders auf Regen angewiesen gewesen. Wo möglich, wurden die Felder bewässert. Die meisten Bauern hatten jedoch kein Bewässerungssystem.
Wasserkraft: Weil der Wasserstand von Flüssen und Seen im Sommer 2018 so tief war, produzierten Wasserkraftwerke zeitweise nur noch einen Viertel des Stroms, den sie in normalen Jahren produzieren. In der Schweiz, wo 55% des Stroms von der Wasserkraft kommt, stieg der Strompreis um fast 50% verglichen mit 2017.
Schifffahrt: Der Rhein ist eine der wichtigsten Transportrouten Europas. Wegen dem tiefen Wasserstand im Herbst 2018 konnten Frachtschiffe bis zu zwei Drittel weniger laden oder mussten die Güter auf kleinere Schiffe verteilen. Die Folge waren Lieferengpässe. Wegen dem höheren Benzinverbrauch wurden auch Benzin und Diesel in der Schweiz teurer.
Jeder Tropfen zählt
Trockenheit ist also tatsächlich eine Naturgefahr, vor der wir Menschen uns schützen müssen. Trockene Sommer werden wir in Zukunft häufiger erleben. Dies zeigen Klimamodelle.
Massimiliano wünscht sich deshalb, dass Behörden einen Plan ausarbeiten, wie wir in der Schweiz mit Wasserknappheit umgehen sollen. Das ist auch wichtig, um Konflikte zwischen den verschiedenen Wassernutzern zu vermeiden. Denn während Bauern für die Bewässerung Wasser aus Seen und Flüssen abpumpen, wollen Leute aus der Schifffahrt und Wasserkraft den Wasserstand auf keinen Fall weiter senken.
In der Schweiz verbraucht eine Person im Schnitt knapp 300 Liter Trinkwasser pro Tag. Besonders in Trockenzeiten, findet Massimiliano, sollte jeder bewusst weniger Wasser brauchen. Möglichkeiten im Alltag Wasser zu sparen gibt es viele:
- kürzer Duschen
- den Rasen nicht wässern
- den Swimmingpool nicht füllen
An der WSL...
- … macht Massimiliano komplizierte Berechnungen, um Wasserknappheit in der ganzen Schweiz vorhersagen (Projekt trockenheit.ch) zu können.
- … überwachen wir mit Messgerätendie Reaktion von Bäumen auf Wassermangel, ebenfalls in der ganzen Schweiz.
- … haben wir mit der Forschungsinitiative Trockenheit 2018 untersucht, welche Folgen der extrem trockene und heisse Sommers für den Schweizer Wald hatte.