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12.07.2019 | Nancy Bolze
Am 21. Juni 2019 donnerte die erste grosse Schlamm- und Gerölllawine von 2019 den Illgraben hinunter. Dort haben Forschende der WSL im letzten Winter eine neue Waage aufgebaut, um die Kräfte von Murgängen zu messen.
Im Illgraben bei Leuk (Kanton Wallis) ereignen sich zwischen Mai und Oktober durchschnittlich drei bis fünf unterschiedlich grosse Murgänge. Murgänge sind eine breiartige Mischung aus Wasser und Gesteinsmaterial. Sie entstehen im Sommerhalbjahr, wenn lockeres Gestein bei einem starken Regenfall oder der Schneeschmelze in steilen Hängen in Bewegung gerät. Doch wann und wo ein Murgang entsteht und wie mächtig er wird, lässt sich noch kaum vorhersagen. Das wäre aber wichtig, um die Bevölkerung davor zu schützen. WSL-Forschende arbeiten daran, die Vorhersage zu verbessern, indem sie die Fliessprozesse genau untersuchen. Darum haben sie in den Schweizer Alpen Murgang-Beobachtungsstationen eingerichtet. Sie zeichnen auf, wann ein Murgang entsteht, wie gross er ist und wie schnell er sich ins Tal bewegt.
Wie untersuchen Forschende die Murgänge?
Seit dem Jahr 2000 messen Forschende im Illgraben, wie schnell und wie hoch Murgänge abfliessen. Fix installierte Videokameras, die ein kommender Murgang in seinem Entstehungsgebiet automatisch auslöst, filmen das Naturereignis. Im Jahr 2003 haben WSL-Forschende die weltweit erste Murgangwaage in das Bachbett des Illgrabens eingebaut. Damit konnten sie das Gewicht eines Murganges bestimmen. Das Gewicht ändert sich laufend, weil der Anteil von Wasser und Gestein ständig wechselt. Zu Beginn ist das Gewicht typischerweise am höchsten, weil sich bei einem Murgang an der sogenannten Front die meisten grossen Steine ansammeln. Mit der Zeit wechselt die Mischung dann zu einer flüssigeren Form, wo nur noch kleine Steine mittransportiert werden.
Warum wurde die erste Murgangwaage ersetzt?
Am 22. Juli 2016 schob der Wildbach drei riesige Felsbrocken, jeder etwa 75 Tonnen schwer, das tief eingeschnittene Bachbett hinunter. Als sie über die Waage rumpelten, rissen sie die Waage aus ihrer Verankerung, so dass der Murgang die grosse Stahlplatte bis in die Rhone transportierte. Ein Totalschaden trat ein. Daraufhin begannen die Forschenden, eine neue, bessere Messanlage zu planen.
Hightech im Walliser Rhonetal
Die WSL-Forschenden bauten an der gleichen Stelle im Illgraben in einer betonierten Wildbachsperre eine neue, optimierte Anlage ein. Sie besteht aus einer grossen Stahlplatte mit sechs darunter angebrachten Sensoren und misst die Kräfte, welche durch das fliessende Gesteingemisch auf den Untergrund wirken. Zusammen mit Radar- und Lasergeräten, sowie Videokameras gewinnen die Forschenden damit Daten über die Abflussmenge, den Wassergehalt, die Dichte und die Fliessgeschwindigkeit von Murgängen.
Mit diesen Informationen können Fachleute in Ingenieurbüros genauere Gefahrenkarten als bisher erstellen und Schutzmassnahmen besser planen. WSL-Forschende helfen somit, Murgänge weniger gefährlich für Menschen, Gebäude, Strassen und Eisenbahnen oder Leitungen zu machen.