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Von Beate Kittl
Steile und hohe Felswände sind zwar imposant, stellen aber auch eine Gefahrenquelle für Steinschläge dar. In einem Gebirgsland wie der Schweiz sind Steinschläge daher relativ häufig. Zusätzlich häufen sich starke Regenfälle durch den Klimawandel und ganzjährig gefrorene Böden (Permafrostböden) tauen auf; damit steigt die Steinschlaggefahr an. Um Menschen zu schützen, erforschen Wissenschaftler der WSL Steinschlagprozesse mithilfe von Feldbeobachtungen, Laborexperimenten und Computermodellen.
Um die Frage zu beantworten, wo Steinschläge am häufigsten auftreten, müssen wir zuerst klären, was genau ein Steinschlag ist. Wir bezeichnen das plötzliche Abstürzen von einzelnen Felsblöcken als Steinschlag. Das Gesamtvolumen der herabdonnernden Felsblöcke ist dabei nicht grösser als 100 m3; das sind in etwa 17 Autos der Marke Smart. Wenn das herabstürzende Volumen grösser ist, spricht man von einem Felssturz (z.B. am Eiger im Juli 2006) oder, wenn das Volumen gar mehr als 150‘000 Smarts beträgt, von einem Bergsturz.
Bergstürze sind sehr selten. Dennoch ergeben prähistorische Erforschungen, dass in Flims (GR) vor 10‘000 Jahren einer der grössten Bergstürze Europas stattgefunden hat. Ein bekannter neuzeitlicher Bergsturz ereignete sich im Jahr 1991 in Randa (VS).
Grundsätzlich bestimmen Topographie und Geologie, ob Steinschläge auftreten können. Zum einen muss der Hang genügend steil sein (ca. 30°) und zum anderen müssen freiliegende Felsflächen vorhanden sein. Wasser, das in Felsritzen abwechselnd taut und gefriert, verwittert die freiliegenden Felsen; es bilden sich Risse und Klüfte, wo sich die Steine lösen können. Auch die Art des Gesteins spielt eine Rolle: Beispielsweise sind Kalkwände in der Regel brüchiger als Granitwände.
Die Steinschlaggefahr hängt ausserdem vom Wetter und Klima ab. Bei starkem Regen steigt die Gefahr drastisch an. Zudem bewirkt der Klimawandel, dass Permafrostböden tauen und Gletscher sich zurückziehen: Dies führt zu instabilen Hängen und freiliegenden Felsen, welche neue Gefahrenflächen bilden.
Wenn wir die Verteilungskarte von Steinschlägen in der Schweiz von 2002 bis 2015 anschauen, sehen wir, dass sich in den Gebirgskantonen die meisten Steinschläge ereignen. Im Kanton Bern, Wallis und Graubünden wurden mehr als 45 Steinschläge registriert, wobei in den Kantonen Schaffhausen, Genf, Appenzell Innerhoden und Basel Stadt gar kein Steinschlag beobachtet wurde.
Die Grösse der Kantone spielt natürlich eine Rolle: Betrachten wir die Anzahl Steinschläge im Verhältnis zur Grösse der Kantone, ereignen sich in Uri, Schwyz, Nidwalden und Glarus die meisten Steinschläge. Ein Grund dafür ist die steile Topographie dieser Kantone.
Steinschläge kündigen sich kaum an – im Gegensatz zu Fels- und Bergstürzen, welche mit vorangehenden Stein- und Blockschlägen auf sich aufmerksam machen. Angesichts der hohen Geschwindigkeiten der hinunterstürzenden Steine (bis zu 100 km/h!) können sie aber zu tödlichen Unfällen, Strassen- und Gebäudeschäden führen. Deshalb untersuchen die Forscher der WSL Stein- und Felsschlagprozesse und suchen nach Möglichkeiten, um Menschen, Strassen und Häuser zu schützen; zum Beispiel mit Schutzzäunen, Steinschlaggalerien oder -dämmen. Der Wald ist übrigens häufig der beste natürliche Schutz gegen Steinschläge.
Bei Steinschlagversuchen wie diesem wird die Sturzbahn von Steinblöcken analysiert. Die gewonnenen Daten fliessen in die Software "RAMMS" ein und helfen, vorbeugende Schutzmassnahmen wie etwa Schutznetze umzusetzen. Video: SLF/E. Frei