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30.10.2018
Jedes Jahr sind auf der ganzen Welt ungefähr 50 Milliarden Zugvögel auf Wanderung. Den Streckenrekord hält die Küstenseeschwalbe: Sie legt vom Brutgebiet an den Küsten Grönlands und Alaskas bis zum Winterquartier in der Antarktis mehr als 20'000 Kilometer zurück. Viele Zugvogelarten werden jedoch immer seltener, darunter auch bekannte Sommergäste in der Schweiz wie Schwalben, Lerchen oder Wiedehopfe.
Schuld daran ist zum einen der Klimawandel, zum Beispiel weil Insekten früher schlüpfen und die Larven bei der Rückkehr der hungrigen Vögel im Frühling schon verpuppt und gut versteckt sind. Zum anderen machen menschliche Einflüsse vielen Vögeln Mühe.
Auf stark bewirtschafteten und mit Pestiziden behandelten Feldern und Wiesen gibt es zu wenig Futter, oder es fehlen naturnahe Flüsse und Ufer als Brutplätze. Windräder, aber auch Kletterer oder Wassersportler können die Vögel so stark stören, dass ihre Brut misslingt.
Man würde denken, dass Vogelschützer solche Bedrohungen auf der ganzen weiten Reise der Zugvögel in ihre Gefährdungs-Statistiken mit einbezogen hätten.
Nach Ansicht einer Forschergruppe, die vom WSL-Forscher Niklaus Zimmermann geleitet wurde, tun sie das aber nicht genügend. Ob die Anzahl einer Vogelart schrumpft, überprüfen Vogelkundler meist nur in den Brutgebieten, nicht aber auf dem Zugweg oder im Wintergebiet der Zugvögel, sagt Niklaus. «Dadurch erfassen sie nicht alle Gefährdungen.»
Vögel müssen weiter fliegen
Er und Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, Südafrika und Frankreich haben die Verbreitung von mehr als 700 Arten langstreckenziehender Vögel angeschaut, die in Nordamerika, Europa und Asien brüten. Mit Hilfe von Computermodellen haben sie dabei auch Gefahren in den Wintergebieten und während der Wanderung berücksichtigt.
Zum Beispiel kann es sein, dass die Vögel längere Strecken fliegen müssen, weil sie in näher liegenden Brut- oder Wintergebieten keine guten Lebensbedingungen mehr finden – etwa wenn die Menschen Feuchtgebiete in Äcker umgewandelt oder neue Häuser und Shopping-Zentren gebaut haben.
Die Forschenden stellten fest, dass solche Gefahren auf jedem Kontinent völlig anders sind und unabhängig voneinander auftreten. Das führt zum Ergebnis, dass 20 bis 50 Prozent mehr Zugvogelarten bedroht sind als bisher angenommen. Viele stehen noch nicht unter Schutz, weil sie nicht auf der Roten Liste der International Union for Conservation of Nature (IUCN) als bedroht aufgelistet sind.
Deshalb steht für Niklaus Zimmermann fest: «Die Langstreckenzieher sind von globalen Veränderungen wie Klima- und Landnutzungswandel besonders stark betroffen», sagt er. «Für den Artenschutz ist daher unbedingt der ganze, weite Weg der Zugvögel mit zu berücksichtigen.»